Ich gebe es zu: Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Ich habe die gescheiterte OUYA (opens new window) gebacked und mir ein bescheuertes Linux-Netbook (opens new window) besorgt. Ich habe eine zeitlang versucht mit dem ordentlichen, aber kaum von Spielen unterstützten Steam Controller (opens new window) zu spielen und dafür meinen PC als selbstgebaute Steam Machine (opens new window) mit dem unübersichtlichen und damals sehr stiefmütterlich behandelten SteamOS (opens new window) betrieben. Gelernt habe ich aus all diesen Fehlschlägen nichts, denn mein Hype könnte nicht größer sein, als Valve sein Steam Deck ankündigt. Mit ihm verbindet nicht nur Valve die Hoffnung, sich von der festen Umarmung Microsofts und Windows zu lösen, auch für mich ist es die letzte Chance, meinen Freunden zu beweisen: Meine grotesken Hypetrains können ans Ziel führen.
Um meine Aufregung nicht alleine auf meinen Haushalt abzuladen, erzähle ich einem Freund von den Hoffnungen und Wünschen, die ich mit dem Steam Deck verbinde. Er kennt meine fragwürdigen Gaming- und Technikhypes der letzten zwei Jahrzehnte und ist verständlicherweise skeptisch. Je mehr Vorteile des Steam Decks ich aufzähle, desto mehr scheint seine Skepsis zu steigen. Also ändere ich meine Taktik und streue ein paar Gefahren und erwartbare Nachteile ein. Das Steam Deck wird nichts für jedermann werden. Es wird daher auch kein Switch-Killer sein. Valve weiß schon warum es das Ding als PC vermarktet. Unter dem Label "PC" erwartet der gemeine Gamer nicht nur die Möglichkeit, alles mit dem Gerät tun zu können, sondern auch, dass dafür viel Konfigurationsaufwand nötig werden kann - und überhaupt: Wenn das Gerät erstmal da ist, werde ich es allen zeigen. Diesesmal werde ich Recht behalten. Jetzt muss nur noch dieses Q2 möglichst bald kommen.
# Spielbar, wenn man weiß wie
Q2 kommt bald. Tatsächlich habe ich das Glück, unter den ersten Bestellern der Q2-Gruppe zu sein. Am Tag meiner Steam Deck-Bestellung wird ein neuer Teil von Monkey Island angekündigt. Mein kindliches Ich freut sich wie ein dummer Bauer und fängt nochmal an, die Special Edition des ersten Teils zu spielen. Mein Steam Deck kommt an und ich freue mich darauf, meinen Spielstand direkt weiterspielen zu können. Ich starte Monkey Island, welches von Valve für das Steam Deck als "Spielbar" eingestuft wurde. Ein weißer Bildschirm blitzt auf und ich lande zurück im Menü des Steam Decks. Monkey Island erscheint für mich nicht spielbar.
Als erfahrener Linux-Gamer - die Software des Steam Decks basiert auf Linux - besuche ich ProtonDB (opens new window), durchsuche dort die Spielbarkeitsberichte von Monkey Island und finde die Beschreibung meines Fehlers inklusive einer Lösung. Ich starte den Desktopmodus des Steam Decks. Dieser Modus beweist die PC-artigkeit des Handhelds auf besondere Art und Weise. Eine Windows-ähnliche Oberfläche begrüßt mich, die mit den Eingabemöglichkeiten des Steam Deck bedienbar ist - Spaß macht das aber keinen. Also stecke ich die Konsole an meinen PC-Arbeitsplatz - ein Bildschirm mit Maus und Tastatur, anschließbar über ein USB-C Kabel. Alle Geräte werden sofort erkannt und das Steam Deck wird aufgeladen. Schnell finde ich die Datei, die ich mit einem Texteditor bearbeiten soll. Der Wechsel in den Konsolenmodus gelingt und Monkey Island startet. Ich spiele voller Freude bis ich LeChuck Root Beer ins Gesicht spritze und der Abspann erklingt. Ich liebe mein Steam Deck immernoch.
# Ist das ein Steam Deck oder kann das weg?
Zuletzt habe ich zwei Geräte fürs Gaming gehabt: Ein in die Jahre gekommener Multimedia-PC und eine Nintendo Switch. Die Switch hat vor einigen Jahren mein Gaming-Leben verändert. Jedes Spiel, das auf der Switch spielbar war, wurde dort gekauft und nicht auf dem PC. Das Killer-Feature der Switch war für mich immer das Wissen, dass ich jedes Spiel auch im nächsten Urlaub oder in der Bahn werde spielen können. Gespielt habe ich die meisten Switch Spiele stationär am Fernseher, aber ab und zu nehme ich die Switch mit auf Reise oder spiele gemütlich auf der Couch im Handheld Modus, meine Spiele sind immer dabei. Das Steam Deck kombiniert für mich das Killer-Feature der Switch mit der Performance meines Multimedia-PCs. Meine beiden Gaminggeräte werden vereint in einem und damit eigentlich obsolet. Aber kann das Steam Deck die Switch tatsächlich ersetzen? Ein Spiel, welches ich mir im eShop von Nintendo kaufe, startet auf der Switch - immer. Die Switch hat den großen Vorteil geschlossener und eingeschränkter Plattformen. Die Kombinations- und Konfigurationsmöglichkeiten sind relativ simpel abzustecken. Bei PCs dagegen sind die Konfigurationsmöglichkeiten extrem hoch. Mit dem Steam Deck wird eine neue Kategorie von PC-Hardware beliebter werden, mit der sich alle PC-Spiele von nun an zusätzlich herumschlagen müssen - die Plattform wird noch komplexer.
Valve testet daher nach und nach den Steam-Katalog darauf ab, welches Spiel optimal auf dem Steam Deck läuft. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, dass das Spiel läuft, sondern auch, dass es sich mit den Eingabemethoden des Steam Decks gut spielen und alles auf dem Bildschirm gut erkennbar ist. Doch diese Verifizierung hat Probleme. Mein nächster Titel auf dem Steam Deck ist It Takes Two. Wir haben das Spiel vor einigen Monaten aus Elternschaftsgründen pausiert. Inzwischen fühlen wir uns in der Lage weiterzumachen. Auch It Takes Two ist als "Spielbar" eingestuft. Der Start schlägt aber genauso fehl. Das Spiel möchte den aktuellsten Origin-Launcher installieren. Die neuste Version von Origin scheint aber nicht mehr mit dem Windows-Kompatibilitätstool Proton zu funktionieren, welches Valve für Steam unter Linux entwickelt hat. Das Problem ist in der experimentellen Version von Proton gefixt. Ich ändere also das Kompatibilitätstool für It Takes Two auf den experimentellen Stand. Origin startet und It Takes Two läuft tadellos.
Steam als Plattform beinhaltet soviele bewegliche Teile, dass es immer wieder nötig sein wird manuelle Konfigurationsänderungen zu tätigen, um spielen zu können. Die Nintendo-Erfahrung, bei der meist irgendwie alles funktioniert, bleibt aus. Nach den Anfangsschwierigkeiten spielen wir aber It Takes Two mit einem Xbox- und dem Switch Pro Controller sowie unserem Fernseher angeschlossen am Steam Deck weiter. Das Spiel läuft besser als auf meinem altbackenen PC. Ich liebe mein Steam Deck immernoch.
# Die Zusammenkunft von Nintendo- und PC-Erfahrung
Death's Door ist das erste Spiel, dass ich auf dem Steam Deck anschmeiße, welches als "Verifiziert" eingestuft wurde. Da ist sie endlich - die Nintendo-Erfahrung. Ich spiele einfach drauf los, ohne Wechsel in den Desktopmodus, ohne Änderung irgendeiner Konfiguration. Das Spiel macht sofort eine ganze Menge Spaß. Weil mir die technische Bastelherausforderung fehlt, möchte ich mich aber während des Zockens mit Freunden über Discord unterhalten. Also doch wieder den Desktopmodus angeschmissen, Discord installiert, als Steam-fremdes Spiel hinzugefügt und schon steht es in der Konsolenoberfläche zum Start bereit. Ich kann Discord starten während ich in einem Spiel bin. Beim Wechsel zurück zum Spiel bleibt der Voice-Chat im Hintergrund aktiv. Für einen PC ist das keine Besonderheit - für einen Handheld schon. Das Steam Deck möchte beides sein und erbt dabei von beidem soviele gute wie schlechte Eigenschaften.
Für einen Handheld ist der Lüfter zu laut, für einen PC sind die Eingabemethoden trotz Trackpads und Gyro-Steuerung immernoch nicht präzise genug. Für einen Handheld hat das Steam Deck eine Wahnsinnsperformance, für einen PC ist das Gerät sehr, sehr klein. Ob man eher die guten oder schlechten Seiten sieht, hat vor allem damit zu tun, ob man von PC- oder von Handheld-Seite aus auf das Steam Deck blickt. Für mich ist der Kompromiss gut gelungen. Die Software des Steam Decks hat noch sehr viele Macken, die Valve fleißig beheben wird. Wer sich aber im Steam-Client für den PC umschaut, sieht auch hier überall Ecken und Kanten. Dass beim Steam Deck jemals alles fehlerfrei und übersichtlich funktioniert, bezweifle ich. Dafür bietet es einfach zu viele Möglichkeiten, denn das Potential, das Valve Gamern mit dem Steam Deck in die Hände legt, ist riesig.
Für mich hat sich das Steam Deck alleine schon deshalb gelohnt, weil ich endlich meinen angestaubten Multimedia-PC loswerden kann. Die Switch werden wir allerdings behalten. Nicht nur um Breath of the Wild II zu spielen, sondern weil nicht alle hier im Haushalt meine Begeisterung teilen. Zu klobig, zu laut, zu schwarz, zu frickelig und am Ende geht's doch alles nicht. Es soll tatsächlich Menschen geben, die hassen das Steam Deck.
# Die Liebe gilt dem Pinguin
Was ich an dem Steam Deck mag und warum es das richtige Gerät für mich und wahrscheinlich auch für den ein oder anderen da draußen ist, ist damit vielleicht erklärt. Aber warum liebe ich das Steam Deck? We need to go deeper...
Ich bin PC-Gamer - schon immer gewesen. Nachdem ich durch meine älteren Brüder mit ersten DOS- und Windows-Spielen sozialisiert worden war, bekam ich einen GameBoy und später eine PlayStation. Aber spätestens in den 00er Jahren, nachdem ich mir vom Konfirmationsgeld einen eigenen PC gekauft und zusammengebastelt hatte, galt meine Liebe vollständig dem PC. Vom PC ging immer die Faszination aus, alles damit tun zu können. Die Grenzen waren nur durch die Geschwindigkeit der Hardware limitiert. Zwar wurde dem Gamer keine so simple Erfahrung geboten wie Konsolen es konnten, aber da die Spielehersteller und Microsoft zusammenarbeiteten und ihre Spiele für Windows optimierten, lief das meiste anstandslos und für Tipps und Tweaks gab es Computerspielezeitschriften und später Internetforen, die einem beistanden. Es war die goldene Ära des Windows-Gaming-PCs und der ideale Nährboden für eine Plattform wie Steam.
Einige Jahre später ist Microsoft eine andere Firma, deren Vertriebsmodell sich langsam aber stetig wandelt. Damit Windows weiterhin eine veritable Plattform für Microsoft sein kann, muss sie restriktiver werden. Die Vorbildsplattformen sind macOS, Android und iOS - in dieser Reihenfolge von offen bis maximal eingeschränkt. Versteht mich nicht falsch, restriktive Plattformen haben ihre Vorteile und Apple wäre ohne die Restriktionen von iOS nicht da, wo sie heute sind. Sie nehmen den Nutzer:innen aber die Freiheit, die die 00er-Windows-Gaming-Jahre zu dem gemacht haben, was sie waren.
Warum also habe ich die OUYA gebacked, mir ein Linux-Netbook besorgt und war aufgeregt wie ein Kind als die Steam Machines angekündigt wurden? Natürlich steckte darin schon immer ein großer Haufen Nostalgie gegenüber meinen goldenen 00er-Gaming-Jahren - die Hoffnung, dass die Gaming-Welt wieder so frei und offen wird, wie ich sie unter Windows XP in Erinnerung habe. Um dahin zurückzukommen, ist das Windows von heute nicht mehr die Antwort. Das hat Valve erkannt. Je restriktiver Windows wird, desto mehr geht es Steam an den Kragen. Die Antwort, die Valve für sein Problem gefunden hat, ist der Grund warum ich das Steam Deck liebe: Das Linux-Ökosystem.
Das Steam Deck ist ein Linux-Handheld. Soweit so unspektakulär - Android nutzt ebenfalls Linux im Hintergrund. Valve ist aber einen Schritt weiter gegangen. Während Android ein eigenes relativ geschlossenes Ökosystem rund um einen abgewandelten Linux-Kern aufgebaut hat, nutzt Valve das bestehende Linux-Ökosystem. Wahrscheinlich sagen den wenigsten Begriffe wie Arch Linux (opens new window), KDE (opens new window), Wayland (opens new window), PipeWire (opens new window), Wine (opens new window) oder Flatpak (opens new window) etwas, aber diese Technologien machen das Steam Deck zu dem was es ist und sie sind alle öffentlich und frei verfügbar. Das macht Valve nicht zum uneingeschränkten Good Guy. Sie versuchen nichts weiter als ihr Geschäftsmodell zu retten. Aber wenn Valve mit dem Steam Deck und den mit Sicherheit folgenden Geräten dieser Art Erfolg hat, könnte dabei aus Versehen für Menschen wie mich die goldene Zeit des Gaming-PCs erhalten bleiben. Nur diesesmal mit Linux statt Windows XP als Grundlage. Darum liebe ich mein Steam Deck.